Vielen Schulabgängern ist nicht klar, worin Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Hochschulen liegen. Und welche für sie die bessere Wahl wäre.
FH und Uni – das waren einmal zwei getrennte Welten. Heute sind die Grenzen etwas fließender geworden. Das fängt schon beim Namen an. Denn Fachhochschulen (FH) heißen heute nicht mehr Fachhochschulen. Viele nennen sich „Hochschule für angewandte Wissenschaften“ oder gleich neudeutsch „University of Applied Sciences“. Das macht die Sache für Schulabgänger bei der Studienwahl nicht einfacher. Vielen Schülern ist häufig nicht klar, worin die Unterschiede liegen. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
Praxis oder Forschung
Traditionell galt der Grundsatz: An der FH lernen die Praktiker, an der Uni die Theoretiker. Ganz so schwarz-weiß ist das Bild heute nicht mehr. Von der Tendenz her stimmt die Aussage aber immer noch. Wer lieber in die Forschung will, sei an der Uni richtig – die FH sei dagegen das passende Modell für Studenten, die mehr Anwendung wollen. Angehende Ingenieure im Maschinenbau zum Beispiel müssten an der Uni anfangs viel Mathe pauken. „Da braucht man einen langen Atem. Und manchen geht da schnell die Puste aus“, so Berufsberaterin Astrid Schipper. An der FH sei die Verknüpfung mit der Praxis oft gelungener. Dadurch sei den Studierenden klarer, wofür sie lernen.
Die Unterschiede seien aber kleiner geworden, ergänzt Cort-Denis Hachmeister vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh. Ein Grund sei die Bachelorumstellung: So gehöre der Anwendungsbezug nun auch an der Uni dazu – schließlich soll der Bachelor auch für den Beruf qualifizieren. Ein ganzes Praxissemester sei aber nach wie vor ein typisches Merkmal der Fachhochschule.
Studienangebot
An einer Fachhochschule ist das Fächerspektrum deutlich kleiner. Traditionell hatte sie im Wesentlichen nur Betriebswirtschaftslehre (BWL), Ingenieurwissenschaften und Soziale Arbeit im Programm, erläutert Hachmeister. Auf der anderen Seite stand die Universität mit breiter Auswahl. Heute gebe es zum einen die Entwicklung, dass Unis sich verstärkt profilieren und sich auf eine Auswahl von Fächern beschränken. Zum anderen sind an Fachhochschulen neue Fächer wie Kommunikations- oder Pflegemanagement entstanden. Geisteswissenschaften sind aber weiterhin eine Domäne der Unis, Germanistik etwa sucht man an der FH vergeblich.
Zulassung
Einen Unterschied gibt es noch bei den Regeln für die Zulassung: Für ein FH-Studium reicht die Fachhochschulreife, Universitäten verlangen in der Regel das Abitur, erläutert Hachmeister. An Universitäten gibt es dafür einen geringeren Anteil an zulassungsbeschränkten Studiengängen (40,1 Prozent) als an Fachhochschulen (45,8 Prozent), wie eine CHE-Auswertung für das aktuelle Wintersemester 2016/17 zeigt.
Betreuung
An der FH sei die Betreuung häufig intensiver und die Gruppen seien kleiner, so Schipper. Ihre Einschätzung spiegelt sich auch in anderen Umfragen wider: So wird die FH leicht besser von Studenten bewertet als die Uni, wenn es etwa um Kontaktmöglichkeiten zu Lehrenden außerhalb von Sprechstunden geht (66 zu 64 Prozent). Ein klarer Vorteil.
Abschlüsse
Den Diplom-Ingenieur gibt es zwar vereinzelt noch – in der Regel vergeben beide Hochschultypen heute aber den Bachelor und Master und sind damit gleichgestellt. Auch in der Wertigkeit der Abschlüsse gebe es keinen Unterschied mehr, betont Hachmeister.
Zufriedenheit
An der Fachhochschule gibt es etwas mehr Studierende, die zufrieden mit den Bedingungen im Studium sind. Das hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) ermittelt. So schneidet die FH in dem Punkt etwas besser ab als die Uni (69 zu 64 Prozent). Überfüllte Hörsäle sind das größte Problem. Laut DZHW fühlt sich an der Uni jeder Fünfte dadurch beeinträchtigt – an der FH nur jeder Zehnte. Auch Klagen über Anonymität sind an der Uni verbreiteter.
Berufsberaterin Schipper wundert das nicht: „Wenn Sie in einer Vorlesung über Algebra mit 300 anderen Leuten sitzen, da kann man sich schon verloren vorkommen.“ Für Studierende, die nicht so kontaktfreudig sind, bestehe daher die Gefahr, dass sie sich einsam fühlen. An einer kleineren FH komme man schneller ins Gespräch. Und diese soziale Kontrolle motiviert dabei, am Ball zu bleiben.
(NRZ Wesel | 08.04.2017 | Seite 62)